heterotopia#14: SCHANINA WANG. ÜBER DIE SCHEISSE MIT DER KUNST.
„Also ich sitz’ jetzt nicht auf Klo und bin so: ‚Oh, ich muss dieses Gedicht gebären!‘“
TEASER:
Schanina Wang ist kurz davor, die Scheisse mit der Kunst zu lassen.
Mit vier Jahren ging Schanina zum Ballettunterricht, doch an einer autonomen nasalen Aufmüpfigkeit zerschellte ihre wahre Bestimmung, Ballerina zu werden. Ihr Verständnis von Tanz und künstlerischer Freiheit wurden dabei gestört. In der Grundschule besteht Schanina den Fahrradführerschein nicht, dafür muss sie einen IQ-Test absolvieren, um zu beweisen, dass sie trotz ihres stillen Daseins und schlechten Noten nicht geistig geschädigt ist.
Sie wird Eigentümerin eines Ponys und frönt von nun an dem Systemeskapismus im Wald zwischen Tieren. Nach einem Dream-Escape in Neuseeland und Hawaii, macht Schanina ein Orientierungsstudium am European Film College in Dänemark.
Wieder zurück in Hamburg verrenkt sie sich den Kiefer. Als sie wieder sprechen kann, besteht sie die Aufnahmeprüfung an der Kunsthochschule für Medien in Köln und stellt sich zum ersten Mal die Frage: Was soll Kunst? Eine Zeit voller Verwirrung, Krampf und Wahn beginnt.
In den Jahren 2010 und 2011 entstehen die Installationen „Leaving Anthropolis” und „Das Lechzen“.
Doch dann beginnt die Kölner Wüste. Eine Zeit mit Kackjobs, administrativen Problemen und Kunst-Wirklichkeit-Konflikten. Aus Geldnot behauptet Schanina eine HipHopperin zu sein und bekommt daraufhin eine Stelle als Breakdance-Lehrerin in einer 3.Klasse. Diesen Job mag sie tatsächlich so sehr, dass sie sich dazu entscheidet, eine Fortbildung in Theaterpädagogik zu machen.
2017 startet sie die Heavy Metal Show mit ihrem Alter Ego „Cindy Moped“, entsprungen aus ihrer Band „Cindy Moped & the Lark“. Doch Job-Jonglage und Ego-Panik übersäuern den Darm und die Seele. Eine Ausstellung in Antwerpen läuft schief. Sie kann einen Hammer nicht mehr von einem Schraubenzieher unterscheiden. Und plötzlich ist alles weg. In der einen Hand einen Hammer und in der anderen eine Schraubenzieher, beschließt sie, dass dies das Ende ist. Kunststopp Now. 2019 gewinnt sie plötzlich eine Ausschreibung zum besten Job der Welt. Seitenwechsel von Kunst zur Anleitung von Kunst: Ein entspanntes Leben in Ober-Rahmstadt beginnt.
Ich treffe Schanina irgendwo im Hipster-Berlin Mitte zwischen Espressotässchen, Entenkacke und überteuerten Nudelsuppen. Ein bisschen alternativer Wind weht auf einer Dachterrasse, die zum gärtnern aufruft. Wir trinken Früchtetee und wahlweise Kaffee, kauen Maoam.
In Heterotopia spreche ich mit Schanina über frühe Performancekunst mit fliegenden Düften und Zahnspangen, über Ponys, Kriechvieh und ihre große Liebe zum Musical. Warum besucht sie immer wieder Castings, die sie selbst abbricht? Was ist das eigentlich für ein Leben, Dieter Bohlen als Nachbarn zu haben? Und wie ist es, auf einer dänischen Filmhochschule zusammen mit Rotwein, Verstandesverlust und purer Anarchie in einem Glaskasten eingesperrt zu sein? Wir sprechen über Schaninas Installationen, in denen sie es schaffte, Sekten, Wurstmaschinen und Brandschutzverordnungen miteinander zu vereinen. Über ihre Leidenschaft, Räume und Atmosphären zu erschaffen. Über ihre Liebe zu Happiness und Candyfake, mittels derer sie die Endlichkeit leichter ertragen kann. Warum hat Schanina vielleicht genug von der Kunst? Kann sie sie wirklich abschaffen? Und was hat sie stattdessen gefunden?
Infos:
Cindy Moped & The Lark:
https://www.baumusik.de/releases/bau046_cindy_moped_and_the_lark_zahnmusik