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heterotopia – the end

 

Im März 2020 saß ich bei unglaublich gutem Wetter auf einem Balkon und setzte mich mit Michel Foucault auseinander.

Viel früher hatte ich das Wort „Heterotop“ das erste mal während einer Folge des Arte-Formats Streetphilosophy entdeckt, war direkt begeistert und begann zu recherchieren. Irgendein Projekt würde ich zu der Bedeutung dieses Wortes machen, ziemlich sicher.

Die Idee zu einem Projekt, was dieses Wort beinhalten sollte und die Idee zu dem Podcast, oder überhaupt die Idee, einen Podcast zu machen (hat ja sonst keiner, voll die Trendsetterin :D), waren unabhängig voneinander. Und plötzlich fügte sich alles zusammen.

Ich verbrachte noch mehrere Tage bis Wochen auf dem bereits erwähnten Balkon unter dem blauen Himmel. In einer Zeit, in der man sowieso nicht viel anderes machen konnte, trank ich Zitronentee, las ein wenig über und von Michel Foucault und schaute zwei Pappeln zu. Ich schrieb alle Gedanken auf, die die Basis des Projekts bilden sollten.

Warum wird man Künstler*in? Welche Ziele haben Künstler*innen? Wie sehen die Wege aus, die ihnen selten jemand vorgeben kann? Wie sieht ihr Alltag aus? Warum ist diese Berufsbezeichnung irgendwie auch ein bisschen creepy?

Dass die Frage, wie die Künstler*innen mit Krisen und Zweifeln umgehen, in dieser Zeit noch höhere Bedeutung annehmen sollte, als ich eigentlich einkalkuliert hatte, hatte ich in der Anfangszeit der Pandemie gar nicht auf dem Schirm. Schließlich war es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar, dass der gerade hereinbrechende ‚Ausnahmezustand‘ nicht nach ein paar Wochen wieder vorbei sein würde. Und dass es Monate oder sogar Jahre dauern würde, bis die meisten Künstler*innen wieder in gewohnter Weise ihrem Beruf nachgehen können würden.

Als ich überlegte, wen ich mir als Interviewpartner*innen wünschen würde, fing das Projekt an, lebendig zu werden. Es kamen mir so viele tolle Menschen in den Sinn, denen ich unbedingt diese ganzen Fragen stellen wollte. Die meisten hatten direkt Bock mitzumachen. Ein paar nicht. Ein paar konnte ich gar nicht mehr verbindlich fragen. Nach 14 Folgen Vorbereitung, langen Interviews, Schnitt, Veröffentlichung und Werbung fühlte ich mich erfüllt von den ganzen klugen und witzigen Antworten und beendete das Projekt.

Für mich persönlich war die Zeit mit Heterotopia eine enorme Bereicherung. Viele der Menschen kannte ich aus der Vergangenheit oder Gegenwart, ein paar sollten für die Zukunft wichtig für mich werden. Doch auch mit den bereits Bekannten hatte ich mich meistens noch nie so intensiv über diese Themen ausgetauscht.

Ich traf die Künstler*innen zu Hause, im ihrem Proberaum oder Atelier und durfte oft für einen ganzen Tag lang Teil ihrer Welt sein. Am nächsten Morgen kam es mir manchmal vor, als hätte ich intensiv geträumt, so sehr war ich oft durch die Interviews und persönlichen Biographien in eine andere Sphäre abgetaucht.

Es entstanden plötzlich Kooperationen oder auch neue Freundschaften.

Für Nlly Ellinor und Julia Zech entstand eine musikalische Zusammenarbeit (Oh Mother).
Über Lisa Spielmann schrieb ich Pressetexte.
Mit Schanina Wang schreibe ich seit einiger Zeit Klogedichte.

Mit Aylin, die ich vor dem Interview nur mal kurz gesehen hatte, traf ich mich wöchentlich zum Klavierunterricht, Kaffee und Schnaps trinken. 2021 entstand mit ihr Changes, ein Musiktheater, welches wir in Berlin und Düsseldorf aufführten.

Ein paar der Menschen wie Irmke und Daniela hatte ich seit Jahren nicht gesehen, alte Freundschaften flammten neu auf und wir standen plötzlich wieder in Kontakt.

Ich schreibe deshalb so ausführlich und persönlich darüber, weil ich es immer wieder erstaunlich finde, was alles entstehen kann, wenn man sich auf den Weg macht um ein Projekt zu realisieren. Oft irgendwie doch weit mehr oder darüber hinausgehend, als man sich vorher ausgemalt hatte.

Viele Zitate aus den Interviews begleiten mich bis heute, weshalb ich beschlossen habe, diese letzte Folge als Zusammenfassung zu releasen. Irgendwie werden hier all die Fragen beantwortet, die ich mir vor zwei Jahren auf dem Balkon gestellt hab. Und obwohl die Antworten individuell so unterschiedlich sein mochten – kam es mir doch so vor, als habe ich bei all den Interviewten irgendwie eine gemeinsame Basis festgestellt: Den Bock auf die Sache, auf ihre Kunst oder Musik, die Leidenschaft und das Vertrauen – trotz der ganzen Zweifel. Den Glauben daran, dass Kunst und Kultur wichtig sind. Auch, oder gerade besonders in Ausnahmezuständen.

Ich danke all denjenigen, die mitgemacht haben und so offen ihre Geschichten erzählt haben.
Und natürlich auch allen, die zugehört haben.
Eigentlich hatte ich für 2020 eine lange Reise geplant. So bin ich aber auch irgendwie ein bisschen gereist, eher so Zeitreise-mäßig; durch die Leben anderer Menschen. 🙂

Falls ihr noch Anmerkungen, Fragen oder ein Feedback habt zu dem Podcast, schreibt mir gerne eine persönliche Nachricht, über die Website oder auf Instagram (baeggidi). Ich freue mich sehr darüber.