heterotopia #9: LEA TORCELLI. ÜBER SELBSTWERDUNG UND SELBSTAUFLÖSUNG.
 


„Ich brauch’ dieses Springen. Ich hab ein extremes Bedürfnis danach, mich permanent neu zu hinterfragen, reflektieren. Mich selbst zu recyclen. “

 

TEASER:

 

Lea ist Medien- und Installationskünstlerin, Performerin und Musikerin. Sie wächst in Freiburg auf, als Kind produziert sie ihre eigene Radioshow und spricht bei Hörspielproduktionen mit, später leitet sie eine Theater AG mit jungen Menschen und inszeniert dort philosophische Kinderbücher. Mit 20 Jahren verlässt sie Freiburg und studiert ein halbes Jahr „Philosophie Künste Medien“ in Hildesheim. Lea fühlt sich hin- und hergerissen zwischen Theater, Philosophie und Kunst. Sie möchte die Grenzen der Disziplinen ausloten, bricht ihr Philosophiestudium ab und zieht nach Berlin. Auf der Suche nach einem Raum, der ihr das Optimum an Freiheit ermöglicht, bewirbt sie sich für ein Kunststudium und wird an der Kunstakademie Düsseldorf aufgenommen. Als sie 2016 das erste mal auf einer Bühne singt und improvisiert, wird diese Erfahrung zu einem ausschlaggebenden Ereignis für sie. Ab jetzt verwebt sie ihre Medien Musik, Installation, Video und Performance miteinander. Mit einer Freundin gründet sie die Band „she-dog“, eine Post-Punk Garage-Band, der folgende Dinge besonders wichtig sind: Eine dilettantische Vorgehensweise und emotionale Überreaktionen. Beide beginnen erst nach der Bandgründung damit ihre Instrumente zu spielen. So ist Lea von nun an plötzlich Sängerin und Bassistin. 2019 weiß sie, dass es Zeit ist Düsseldorf zu verlassen. Sie geht für ein paar Monate nach Athen, fasziniert von griechischer Mythologie und der dortigen anarchistischen Szene. Anschließend zieht sie nach Köln und spielt ihr erstes Konzert mit she-dog. Kurz vor der Covid-19-Pandemie.

Ich besuche Lea in ihrer Ateliergemeinschaft in einem alten Supermarktgebäude. Hier arbeitet sie auf 12 qm in der Mitte des Raumes, an ihren Stellwänden hängen Schwarz-Weiß-Kopien. Bilder von Säuglingen die an den Brustwarzen ihrer Mütter ziehen, Teufeln und Heiligen. Auf Kisten liegen Fanzines und Ausgaben der Berliner Frauenzeitung Courage aus den Siebziger Jahren, eine grüne Glühbirne leuchtet, Hexenkräuter werden in Einmachgläsern konserviert. Auf einem Stuhl ein angeschlossener E-Bass, mehrere Effektpedale auf dem Tisch in der Mitte. Wir essen Salzgebäck und trinken Kaffee.

In Heterotopia spreche ich mit Lea über Rastlosigkeit, über die Angst vor der Selbstwerdung und über das Bedürfnis sich nicht auf eine einzige Identität festzulegen. Wir reden über Zerrissenheit zwischen verschiedenen Disziplinen, darüber, sich selbst immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen zu stellen, (hier weg) über Menstruationsblut, Binden-Ausstellungen und das Filmen einer Geburt. Wir philosophieren über das Sammeln von Licht, Farben, Begegnungen von Tönen und beleuchten hier die Grenzen zwischen empfundener Euphorie auf der einen und eines Dokumentationszwangs auf der anderen Seite. Wie befreit sich Lea sowohl von einer Einordnung in künstlerische Disziplinen, als auch von dem Festlegen auf eine einzige Identität? Was bedeutet es, wenn sie von Kunst als einem „sozialen Raum“ spricht? Wie verlief ihr Leben bis hierher, was haben die verschiedenen Orte, an denen sie lebte ihr mitgegeben und welche Antworten gab ihr die Zeit in Athen?

Infos:

 


 

*Anmerkungen von Lea:

Wir sprechen in diesem Podcast über Menschen die eine Schwangerschaft durchlebt haben und Kinder geboren haben, sowie die gesellschaftlichen Erwartungen an diese, welche im Mainstream an heteronormative “weibliche” Eigenschaften wie “Mutterliebe” geknüpft sind. Diese führen im heteronormativen Mainstream meist automatisch zu einer Zuschreibung von “weiblicher” Care Arbeit, was wir in Frage stellen möchten. Wir sprechen in diesem Podcast basierend auf unserem persönlichen Erfahrungshorizont über Geburt, Schwangerschaft und Menstruation. Wir möchten an dieser Stelle klar darauf hinweisen, dass Menstruation, Geburt und Schwangerschaft nicht gleichzusetzen sind mit “Weiblichkeit”. Wir verwenden die binären Begriffe “Frau” und “Mann” in Anführungszeichen, als vereinfachte Begriffe, die in einer breiten Gesellschaft mit gewissen Zuschreibungen verbunden sind, welche wir aufgrund unseres Erfahrungshorizonts kritisieren. Wir meinen damit “als weiblich gelesene Menschen” und “als männlichen gelesene Menschen”, an anderen Stellen meinen wir Menschen die einen Zyklus haben und Menschen die diesen nicht haben bzw. Menschen die Kinder geboren haben und Menschen, die dies nicht haben. Wir möchten alle nicht-binären Menschen die einem Zyklus haben und alle als weiblich gelesenen Menschen, die keinen Uterus haben in unsere Gedanken ausdrücklich mit einbeziehen. Wenn wir von “Müttern” sprechen meinen wir damit “Mütter” in Anführungszeichen, einen Begriff den es zu besprechen und reflektieren gilt. Mit “Mutter” meinen wir zum einen, die soziale Zuschreibung eines gesellschaftlich immer noch weitverbreiteten, per se weiblich gelesenen Archetypus (die “heilige” Mutter), welcher sich in der Tatsache ein Kind im eigenen Körper zu tragen begründet. Diese Relation stellen wir in Frage. An anderen Stellen verwenden wir “Mütter” gleichgesetzt mit allen Menschen mit einem Uterus, welche ein Kind geboren haben. Auch wenn nicht jede “Mutter” ein Kind geboren hat und nicht jede Person die ein Kind gebärt, eine “Mutter” ist, worauf wir an der Stelle noch einmal hinweisen möchten. Auch wenn unser Schwerpunkt in diesem Podcast auf persönlichen Erfahrungen mit heteronormativen Erfahrungen an Menschen, die Kinder geboren haben, und der Kritik an den damit verbundenen als “weiblich” definierten Normen liegt, halten wir es für wichtig auf den politischen Kontext hinzuweisen und noch einmal ausdrücklich zu sagen, dass auch nicht binäre Personen, wie intersexuelle Menschen und nicht als weiblich gelesene Menschen Kinder bekommen und einen Zyklus haben können, ohne, dass wir ausdrücklich jedes mal darauf verweisen. 


Falls ihr nicht binär seid und Lust habt euch über diese Thematik auszutauschen, würde sich @lei_fluo sehr freuen, um einen breit gefächerten, persönlichen Erfahrungsraum zu schaffen und vermitteln zu können. Ihr könnt sie gerne, auch anonym, kontaktieren und von euren Erfahrungen erzählen. 🙂