EINE WINTERREISE.
Bienvenue zu meiner Winterreise 2022!
Ich freue mich, dass ihr euch auf diese Seite verirrt habt!
2. INTRO
Was am Anfang noch ohne roten Faden begann, hatte sich wie ein Puzzle zusammengefügt.
„Ich unterrichte Tischfußball“, sagt Adam mit dem Antennenzöpfchen auf dem Kopf.
Budapest glitzert, wenn die Sonne scheint und es glitzert noch,
Irgendwo zwischen kitschig glitzernden Schlössern und düsternen Altbauten,
4. LJUBLJANA, SLOWENIEN
Irgendwann wenn ich Renterin bin, werde ich noch ein paar Tage länger bleiben in dieser Stadt, die
obviously aus diesen kleinen Lebkuchenhäusern besteht, die man sich für gewöhnlich an
weihnachtlichen Tagen so zurecht baut. Auf dem 13. Stockwerk der Cocktailbar zündet der Kellner
den Gasofen an; das Gas scheint hier noch in rauen Mengen zu fließen, und ich soll ihm Bescheid
sagen, wenn’s knallt. Ich warne ihn, als der Aperol Spritz meine Synapsen zersprengt, doch der guy
von der Bar ist zusammen mit der Sonne längst untergegangen. Und für ein paar Minuten regnet es
noch etwas Zimt und Zucker, hier, auf dieser letzten Station vor dem Bruatlismus.
5. BELGRAD, SERBIEN
„My city is dying. But it’s beautiful, while its dying“ sagt Nicola. Dort drüben, hinter der Save, wo
sich die grauen Wohnblöcke bis zum Horizont erstrecken, findet der Rezeptionist mit den traurigen
Augen die Schlüssel zu Tito’s Zimmer nicht mehr. Er gräbt weiter zwischen goldenen Wänden und
weißem Marmor längst vergangener Zeiten, während sich drüben, am hippen Cevapcici Place der
Stadt diejenigen treffen, deren Kindheit in einem ganz anderen Land begann. Zwischen klassischem
Altbau und sozialistischem Beton wachsen Ruinen von TV-Sendern und des
Verteidigungsministeriums empor. Noch eine Tüte Popcorn und der Film kann beginnen.
Kannst du mir noch eine Geschichte erzählen, Belgrad? – Welche? Die, in welchen Ländern ich
bereits gelebt hab, obwohl ich nie umgezogen bin? Die von Goran, der seit Wochen vor dem
Parlament demonstriert weil er die Regierung nicht anerkennt? Die von Milan, der 1999 mit sieben
Jahren seine Mutter beschützte, als die Erde aufgrund der Einschläge bebte? Die von Yasminka, die
sich Jugoslawien zurückwünscht?“ Ich zieh noch eine Runde mit der ächzenden roten Tram durch
die Stadt, nur so zum Spaß, hier, wo so viel Ernst ist.
6. SARAJEVO, BOSNIEN-HERZEGOWINA
„’Why did you start the Filmfestival in the middle of the war?’, they asked us. So we answered:
‘Why the war started in the middle of our Filmfestival?’“ Srdjan kippt sich ein Dosenbier nach dem
anderen herunter, während wir in seinem Auto sitzen. Er erinnert sich gut daran, wie es war, in
dieser Stadt eingekesselt zu sein. Sarajevo. Dunkel entsinne ich mich an jenen Namen, der in
meiner Kindheit in dieser seltsam prekären Zeit zwischen 20:00 und 20:15 Uhr auf der anderen
Seite des Bildschirms fiel, wenn meine Welt inmitten von Erdbeereis und neverending Plüschtieren
kurz ins Wanken geriet.
Nach 27 Jahren noch immer überall Spuren. „Don’t judge the people here“, sagt Arna. Ihre 91
jährige Mutter ist eingewickelt in Wolldecken und malt nach Zahlen, sie spricht ein paar Worte
deutsch, denn für sie gab es nicht nur den Krieg in den Neunzigern. Im zweiten Weltkrieg
belagerten die Nazis ihr Haus. Arna kocht bosnischen Kaffee. Er darf nicht zu lange kochen, dass
sei unhöflich gegenüber den Gästen. Sie lebt in einem Land mit drei verschiedenen Regierungen,
mit einem der kompliziertesten politischen Systeme der Welt. Wenn sie frei hat, pflanzt sie Bäume.
Arna liebt ihre Stadt und ihre Augen leuchten, wenn sie von Sarajevo erzählt.
8. PRISTINA, KOSOWO
„Europe hasn’t allowed me to feel european, as much as we are geographically in Europe. The only
time I felt european, was when I went to Vietnam. But if I go to Germany or Great Britain, noone’s
gonna provide me that feeling, I’m just a filthy albanian.“
Gleich wird Arber die Bühne betreten, er wird sich eine blonde Perücke überziehen und
improvisieren, mit Synthies, mit Harmonien, mit Wörtern. Hinter ihm der Smog dieser rastlosen
Stadt , die soviel erlebt hat und soviel verarbeiten muss.
„Why?“ ist die Frage, die mir hier immer wieder gestellt wird. Nicht, wie lange ich bleibe, ob es mir
im Kosovo gefällt, wie das Essen schmeckt. „Why?“
Als in Katar die Schweiz gegen Serbien gewinnt, ist in Pristina der Kosovo kurz WM-Sieger. Drei
gebürtige Kosovo-Albaner in der Schweizer Mannschaft genügen, lassen die Autos noch lange
hupen, und die Tore hinter den Bildschirmen immer wieder fallen. Doch zwischen dem alten neuen
Krieg tobt die Jugend. Will das Vergangene vergessen, ist im Widerspruch gefangen, zwischen dem,
was noch nicht lange her ist und Heute, zwischen Verachtung und Versöhnung, zwischen
Nationalismus und dem Glauben an ein vereintes Europa. Und hinter den Bauzäunen, die Pristina
wie eine Stadtmauer umwinden, tanzt der Rave bis zum Morgengrauen.
9. SOFIA, BULGARIEN
Liebes Sofia, I am sorry for being so überladen mit Eindrücken und überhaupt, dass die Luft
draussen war. Ich hätte dich wirklich gerne kennengelernt, aber das einzige, was noch ging waren
traditionelle Gerichte in Holz-Restaurants und dazu etwas Glühwein, alles abzufotographieren nur
um damit meine eigene deadness zu übertuschen, die Motive: Metromülleimer, Grinsemann und
leere Schaufenster, ab und zu auch Kirchen mit drantapezierten Touribussen. Das Fotografieren an
sich ein schlichter Akt des Markieren; wie Hunde, die an jeden Baum pissen, wie ein paar
Menschen von der anderen Seite der Eiskugel, die jeden Pflasterstein der Münchner Innenstadt im
Pixelformat nach Hause tragen. Schade Sofia, am Ende reichte es nur für das Ticket nach Istanbul,
und das wird dir womöglich nicht gerecht, und so lassen wir die Platte noch etwas an, für den
nächsten Glühwein.
Fotos aus Sofia & Plovdiv.
10. ISTANBUL, TÜRKEI
Istanbul, du solltest das Highlight werden, aber auch hier legten sich die Steine in den Weg, wie
anderswo die Deutschen auf Handtücher. Doch wenn ich zurückblicke, zwischen all die Ibuprofen,
dann war da doch noch ein bisschen Märchen im Fiebertraum.
Schwarze-Teefahrt auf dem Bosporus, rufende Muezinne im Gegenwind, Lammsuppe und
am Ausgang der Moschee Hagia Sophia warten Jesus und seine Jünger. Entführt auf dem
ägyptischen Bazar Nr 7, denn Blutsverwandschaften helfen nicht gegen Tourifallen, kiloweise
Pistazien im Rachen, doch beim Aufwachen stets die Wallbrick, unser einziger Ausblick, neben dem
Safe to Go und ein paar entertainenden Rezeptionisten. Wir hätten das ganze am Worri in
Düsseldorf feiern können, auch da gibt’s Schwarzen Tee und Döner, doch wir wollten die Show am
Bosporus, its all about the money.
Wäre es wenigstens der Magendurchbruch in Indien, die Kollision mit einer Bergziegenherde in der
Mongolei oder der Untergang im georgischen Verkehr gewesen. Doch wir siechen ganz unkulturell
dahin, keine Seekrankheit, kein Astronautenabsturz. Auch die fragwürdige Fluggesellschaft trifft
ausnahmsweise die Landebahn.
Tschüss, sagt der Balkan und winkt mir noch eine Weile zu. Wir haben viel gequatscht und ich denke
Dann steigen wir kichernd aus dem Flugzeug aus. Die Tavor knallen jetzt nach der Landung noch mal mehr,
Ich denke an Yasminka, die, obwohl ich sie etwas morgenmuffelig gebeten hatte, mit mir im Bus Plätze zu tauschen,
An den ganzen Unmut, das Trauma, die Verletzungen, ja manchmal auch den Hass, der fast dreißig Jahre